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Auf einem großen Areal im Tiergarten arbeitete und lebte ein Berliner Ehepaar, das sich im August 1977 einen kleinen Traum erfüllte: Sie erwarben einen gebrauchten, restaurierungsbedürftigen Porsche 356 Pre A mit abgelaufenem TÜV, um diesen wieder flottzumachen. Anschaffungskosten: 6.500 Deutsche Mark. Zusammen mit einem befreundeten Bastler investierte der Ehemann viel Zeit und Geld, um seinen Schatz wieder auf Vordermann zu bringen. So wurde z. B. die Elektronik erneuert und der Wagen in Silber umlackiert. Nach 3 Jahren der Restauration wurde eine Pause eingelegt und der Sportwagen in einem kleinen, wasserdichten Unterstand abgestellt. Das war 1980. Doch was passierte dann? Gar nichts mehr, denn die Folgearbeiten wurden Jahr für Jahr immer wieder aufgeschoben, da sich die Familie um andere Projekte zu kümmern hatte. Es vergingen Jahre, dann Jahrzehnte. Die üppige Vegetation des Tiergartens holte sich die Wege und Zugänge zum Schuppen nach und nach zurück und der Abstellort der Sportwagen- legende geriet mehr und mehr in Vergessenheit. Dann kam Peer Dreusicke, Leiter Verkauf Gebrauchtwagen im Porsche Zentrum Berlin, ins Spiel. Er selbst ist bereits seit 1985 für Porsche in Berlin tätig und kennt die Familie über Jahrzehnte sehr gut. So offen- barte ihm die Ehefrau, dass es insgesamt 2 solcher Traumautos gibt: einen dunkelblauen 911 Targa aus dem Jahre 1987 – aus erster Hand, scheckheft- gepflegt und in einem absoluten Topzustand – und besagten 356 Pre A. Doch der Ehemann wollte von einem Verkauf nie etwas wissen. Porsche fehlten – so z.B. Türinnenverkleidungen, Fensterteile und Leuchten. Eine Nachfrage beim Bastlerfreund des Ehemanns ergab, dass diese noch in alten Kartons in seinem Keller schlummerten – ebenfalls seit über 40 Jahren unangetastet. So weit, so gut: Der Tag war gekommen, den 356 aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken und ihn huckepack ins Porsche Zentrum Berlin zu transportieren. Die erste Aufgabe der Restaurateure vor Ort: den Istzustand sichten. Dafür wurden alle Bauteile – und wir meinen wirklich alle Teile – einer Trocken- eisstrahlung unterzogen, die den Schmutz, Staub und Dreck der letzten Jahrzehnte wegblies und eine unverfälschte Sicht auf den Originalzustand freigab. Dabei wurde auch die Originalfarbe sichtbar, die seinerzeit mit Silber überlackiert wurde: Radium-Grün (Farbcode: Reutter 510). Auch wurde klar, dass es sich bei der Fahrgestellnummer und der Motoren­ nummer um sogenannte Matching Numbers handelte – bei einem Traurigerweise verstarb der Ehemann im letzten Jahr und seine Frau musste sich um den Nachlass kümmern – so auch um die beiden Porsche, da sie selbst keinen Führerschein besitzt. Bei einem Besuch im Tiergarten sollte Peer Dreusicke beide Fahrzeuge erstmals besichtigen. Beim 911 Targa war das auch kein Problem, denn dieser stand frei zugänglich in einer gewöhnlichen Garage. Doch der Abstellort des 356 war inzwischen fast komplett eingewachsen, da er über Jahrzehnte nicht mehr besucht worden war. Mit Heckenscheren und Hacken ausgerüstet, wurde kurzerhand eine begehbare Schneise zum Tor des Schuppens geschlagen. Was sich dann unserem erfahrenen Gebrauchtwagenprofi erschloss, lässt sich kaum in Worte fassen. Auf der einen Seite gab das Öffnen des Garagentors den Einblick auf einen der seltensten Sportwagen aus dem Hause Porsche preis – auf der anderen Seite war das Fahrzeug in einem herausfordernden Zustand: Für eine Restauration gab es wirklich viel zu tun. Es wurde schnell klar, dass sich unsere Kundin dieser Herausforderung nicht mehr stellen wollte, und sie bat uns, einen geeigneten Käufer sowohl für den 356 als auch für den 911 Targa zu finden. Mit diesem umfassenden Auftrag machte sich Peer Dreusicke auf den Rückweg ins Porsche Zentrum, um die weiteren Schritte zu besprechen und einzuleiten. Eine fachgerechte Bergung musste her. Zusätzlich zur Bestellung eines Abschleppwagens musste der Unterstand entfernt werden, um an den edlen Schatz zu gelangen. Selbstverständlich durfte das betagte Fahrzeug dabei keinen Schaden nehmen. Dabei fiel auf, dass diverse Bauteile des 1952er Porsche natürlich eine Seltenheit. Ob die Laufleistung von 91.287 Kilometern laut Tacho stimmte, konnte zu diesem Zeitpunkt der Restauration noch nicht gesagt werden. Wie ging es weiter? Nach der ersten Komplettsichtung kümmerte sich Peer Dreusicke um das Einholen von Angeboten, die letztendlich den Verkauf zur Folge hatten. Für einen hohen fünfstelligen Betrag ging der 356 Pre A nach 70 Lebensjahren – davon 42 Ruhejahren – in die USA, wo auf ihn eine aufwendige Restauration für schätzungsweise 150.000 bis 200.000 Euro wartet. Und kommen wir am Ende zur Frage aller Fragen – wo der aktuelle Marktpreis eines vollrestaurierten Porsche 356 Pre A liegt: Nach unserer Schätzung würde dieser für 350.000 bis 450.000 Euro abermals den Besitzer wechseln. Ein gutes Geschäft für alle Beteiligten und eine Automobilstory, die ihresgleichen sucht. FASZINATION 21

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